CAN ist seit Jahren das dominierende serielle Kommunikationssystem in Straßenfahrzeugen und wird auch in vielen anderen Anwendungen eingesetzt. Der Vorsitzende der internationalen CAN-Anwender- und CAN-Hersteller-Vereinigung, blickt zurück – und wagt einen Blick in die Zukunft.
Die ersten CAN-Anwendungen gab es nicht – wie vielleicht erwartet – in Personenkraftwagen, sondern in der Medizintechnik, in Textilmaschinen und in Aufzugsteuerungen. CAN (Controller Area Network) war schon 1986 von Bosch der Öffentlichkeit präsentiert worden. Gut zwei Jahre später waren die ersten Stand-alone-CAN-Controller (i82526 von Intel und 82C200 von Philips Semiconductors) verfügbar. Im März 1992 gründeten sechs Firmen und zwei Privatpersonen den eingetragenen Verein CAN in Automation (CiA) mit Sitz in Nürnberg – der Autor war auch mit dabei. Der Fokus lag auf CAN-Anwendungen abseits der Straße. Trotzdem nutzen auch viele Ingenieure und Ingenieurinnen aus der Automobilindustrie die CiA-Informationsveranstaltungen und später dann auch die CiA-Seminare.
Bereits 1991 wurde das erste CAN-Netzwerk in der S-Klasse von Mercedes-Benz eingesetzt. Es folgte BMW mit einem CAN-Netzwerk in der 7er-Serie, welches fünf Steuergeräte verband. Im Jahre 1994 veranstaltete der CiA-Verein die erste internationale CAN-Konferenz (iCC), an der auch viele Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen aus der Automobilindustrie teilnahmen. Während die Pkw-Industrie keine höheren CAN-Protokolle für die fahrzeuginterne Vernetzung standardisierte, entwickelte die nordamerikanische Lkw-Industrie das auf CAN basierende J1939-Kommunikationssystem, das 1994 in den Markt eingeführt wurde.
Zur gleichen Zeit übernahm der CiA die in einem europäischen Forschungsprojekt entwickelte CANopen-Anwendungsschicht und spezifizierte zahlreiche Geräte-, Anwendungs- und Schnittstellen-Profile. Mit diesen Profilen können Hersteller interoperable und teilweise austauschbare CANopen-Produkte auf den Markt bringen. CANopen wird im Maschinenbau, in der Medizintechnik, in Windkraftanlagen, in der Laborautomation und in Baumaschinen sowie vielen anderen Anwendungen eingesetzt. Sogar in Satelliten und im Meereseinsatz verrichten CANopen-Netzwerke ihre Dienste. Eine der erfolgreichsten CiA-Anwendungsprofile ist CANopen-Lift (CiA 417). Es erlaubt dem Aufzugsbauer, von verschiedenen Lieferanten interoperable Geräte einzukaufen und diese einfach in eine Anlage zu integrieren.
In den 90er-Jahren wurden in Straßenfahrzeugen zunehmend Steuergeräte an CAN-Netzwerke angeschlossen. Zuerst nur im Antriebstrang, dann auch im Komfortbereich zur Steuerung von Fensterhebern, Außenspiegeln, Klima- anlagen und Scheinwerfern. Die Funktionen wurden auf mehrere CAN-Netzwerke aufgeteilt, die oft mit unterschiedlichen Bitraten (500 kbit/s, 250 kbit/s oder 125 kbit/s) betrieben wurden. Sie waren über Bridges, Router oder Gateways miteinander verbunden. Das waren sogenannte Patchwork-Architekturen, die von Modell zu Modell erweitert wurden.
In Nutzfahrzeugen kamen im Antriebsstrang zunehmend J1939-Netzwerke zur Verwendung. Auch für die Kommunikation zwischen ziehenden Fahrzeugen und gezogenen Fahrzeugen wurde CAN verwendet. Der europäische Gesetzgeber forderte, dass sich jeder Anhänger oder Auflieger an ein entsprechendes Zugfahrzeug koppeln lassen muss. Dies resultierte in einer internationalen Norm (ISO 11992), die auf den SAE-J1939-Spezifikationen basiert. Allerdings gibt es eine eigene Transceiver-Norm (ISO 11992-1). Derzeit wird die Normenreihe ISO 11992 in einem vom Autor geleiteten Arbeitskreis überarbeitet. Im selben Arbeitskreis wurde die Überarbeitung der teilweise ebenfalls auf J1939-basierenden Tachograph-Norm (ISO 16844) schon abgeschlossen.
Der CiA entwickelte kurz vor der Jahrtausendwende eine CANopen-Gateway-Spezifikation für Fahrzeugaufbauten (CiA 413). Iveco nutzt sie beispielsweise für seine Transporter und Lastkraftwagen. Inzwischen gibt es auch Profilspezifikationen für Lkw-Aufbauten. Dazu zählen das CANopen-Profil für Abfallsammelfahrzeuge (CiA 422/EN 16815) sowie das für Feuerwehrfahrzeuge (DIN 14700). Für Zusatzgeräte in Taxen, Polizeiwagen und Pkw für Fahrer und Fahrerinnen mit körperlichen Einschränkungen wurde das CANopen-Profil CiA 447 entwickelt.
Auf Initiative von General Motors und anderen Fahrzeugherstellern entwickelte Bosch die zweite CAN-Generation: CAN FD (CAN mit flexibler Datenrate). In akademischen Kreisen war schon Anfang des 21. Jahrhunderts die Idee diskutiert worden, nach der Arbitrierungsphase, wenn nur noch ein Teilnehmer sendet, die Bitrate zu erhöhen und sie wieder abzusenken, bevor im ACK-Feld alle Teilnehmer den korrekten Empfang des Daten-Frames bestätigen. In CAN FD wird genau das getan: Nachdem nur noch ein Knoten senden darf, werden nach der Geschwindigkeitsumschaltung die Bits schneller übertragen (übliche Bitraten sind 2 Mbit/s, 4 Mbit/s oder 5 Mbit/s). Man kann aber auch mit 250 kBit/s arbitrieren und mit 1 Mbit/s in der Datenphase die Bits übertragen.
Beim CAN-FD-Protokoll wurde das Datenfeld von maximal 8 Byte (klassisches CAN-Protokoll) auf 64 Byte erweitert. Das verbessert die Effizienz von Transport-Protokollen, die lange Nachrichten in kleine Häppchen (Segmente) aufteilen und beim Empfänger wieder korrekt zusammenfügen. Hintergrund: CAN FD wurde anfänglich vor allem für das schnellere Herunterladen von Software gewünscht. Das längere Datenfeld ist aber auch sinnvoll, um funktional-sichere oder »Secure«-Nachrichten zu übertragen, die zusätzliche Protokolldaten übertragen müssen.
Der CiA war an der Entwicklung von CAN FD von Anfang an beteiligt. Der Verein organisierte insbesondere sogenannte Plugfests in Deutschland und den USA, bei denen die ersten Implementierungen auf Interoperabilität getestet wurden. Der Autor begleitete die internationale Normung als Obmann des zuständigen ISO-Arbeitskreises (ISO TC22 SC31 WG3). Auch die Norm für Transceiver (ISO 11898-2) wurde entsprechend angepasst. Es gibt zwei Parametersätze, die missverständlich als 2-Mbit/s- bzw. 5-Mbit/s-Parameter bezeichnet wurden. Die real erreichbaren Bitraten hängen nämlich nicht nur von Transceivern ab, sondern auch von der Topologie und den anderen elektromechanischen Komponenten (Kabel und Steckverbinder sowie Zusatzschaltungen). Der CiA hat deshalb Empfehlungen für das Einstellen der Bitraten (CiA 601-3) und eine CAN-FD-Kabel-Spezifikation (CiA 601-6) herausgegeben. Zusätzlich gibt es noch eine Spezifikation für CAN-Gleichtaktdrosseln (CiA 110), die einige Autohersteller vorschreiben.
Um CAN FD auch in hybriden Topologien verwenden zu können, entwickelten CiA-Mitglieder die sogenannten SIC-Transceiver (Signal Improvement Capability). Sie sind in CiA 601-4 spezifiziert und werden die bevorzugten Transceiver in CAN-FD-Netzwerken sein. Sie unterdrücken das »Klingeln« auf den Netzwerkleitungen, indem sie die Impedanz innerhalb einer Bitzeit dynamisch ändern. Dies erlaubt mehr Flexibilität bezüglich der Netzwerktopologie und der maximal erreichbaren Bitrate. Bitraten von 5 Mbit/s und mehr sind durchaus realistisch für Multidrop-Netzwerke. Multidrop-Netzwerke verbinden Teilnehmer ohne zusätzliche Hub- oder Switch-Komponenten. Diese erhöhen zwar die Kosten, können aber andererseits Ausfälle reduzieren und damit die Verfügbarkeit des Gesamtsystems erhöhen.
Der CiA hat für CAN-FD-Netzwerke die CANopen-FD-Anwendungsschicht (CiA 1301) spezifiziert. Es wurde dabei nicht nur die Länge der CANopen-Nachrichten auf maximal 64 Byte angepasst, sondern es wurden auch funktionale Erweiterungen vorgenommen. Mit den USDO-Protokollen (Universal Service Data Objekt) ist es möglich, mehrere Geräte gleichzeitig zu konfigurieren. Dies ist ein schon lange gehegter Wunsch der Anwender, der aber wegen der maximalen Länge von 8 Byte mit »klassischen« CAN-Datenframes bisher nicht erfüllbar war.
Um CAN FD auch in preissensitiven Anwendungen verwenden zu können, wurde CAN FD Light entwickelt (CiA 604-1). Dabei handelt es sich um eine Commander-Responder-Kommunikation, das heißt der Commander-Knoten hat immer die Initiative und die Responder-Knoten reagieren auf die Kommunikationsaufforderung. Dazu ist keine Busarbitrierung erforderlich. Deshalb kann man bei den Responder-Knoten auf teure Oszillatoren verzichten. Auch die Fehlersignalisierung wurde eingespart und in die höheren Protokollschichten verschoben. CAN FD Light ist beispielsweise als tief eingebettetes Netzwerk in LED-Scheinwerfern geeignet, aber auch zur internen Kommunikation in Batteriesystemen.
Im Jahre 2018 initiierte Volkswagen im CiA die Entwicklung der dritten CAN-Generation. Ziel war ein CAN-Protokoll, mit dem man TCP-Segmente in einem Telegrammrahmen (Data Frame) übertragen kann. Mit einem Datenfeld von bis 2048 Byte kann CAN XL – wie der Zusatz Extra Large schon vermuten lässt – exakt das. Zusätzlich sollten im CAN-Protokoll auch Informationen über das genutzte höhere Protokoll enthalten sein, damit auf dem gleichen Kabel verschiedene Anwendungen parallel betrieben werden können. Dazu bietet das CAN-XL-Protokoll die 8-Bit-Felder SDU-Type und VCID (Virtual CAN Network ID). Dies ermöglicht den Einsatz als Backbone-Netzwerk, welches in modernen Zonen-Netzwerk-Architekturen Sub-Netzwerke miteinander verbinden. Diese Architekturen sind nicht mehr funktional strukturiert, sondern auf minimale Netzwerklängen optimiert. Eine Einsparung von Kabeln kann zu signifikanten Gewichtseinsparungen führen, was insbesondere für Elektrofahrzeuge von Bedeutung ist.
In CAN XL lässt sich optional die Fehlersignalisierung abschalten, um sie beispielsweise in der Transportschicht (Layer 4) zu realisieren. Eine weitere Änderung gegenüber den ersten beiden CAN-Generationen ist die funktionale Aufspaltung der Prioritätszuteilung und der Adressierung. Im klassischen CAN-Protokoll und im CAN-FD-Protokoll werden diese beiden Funktionen mithilfe des CAN-Identifiers erledigt. Es kann entweder 11 Bit oder 29 Bit lang sein. In CAN XL gibt es nun einen 11-Bit-Prioritäts-Identifier und ein 32- Bit-Akzeptanzfeld. Das Akzeptanzfeld kann eine Knotenadresse oder einen Inhaltsanzeiger enthalten. Somit können alle bisherigen CAN-Anwendungen in einem CAN-XL-Netzwerk genutzt werden, wenn die Busbandbreite ausreichend ist.
Bezüglich der physikalischen Übertragung zwischen CAN-Controller und CAN-Transceiver kann der Anwender die übliche NRZ-Codierung (Non Return to Zero) oder die neue PWM-Codierung (Pulse-Width Modulation) verwenden. Mit der PWM-Codierung sind höhere Bitraten in der Datenphase erreichbar. Unter Laborbedingungen wurden 20 Mbit/s erzielt. Um den Anwendern das Evaluieren bezüglich des »Ringings« auf den Netzwerkleitungen zu vereinfachen, erfolgt die Umschaltung von der langsamen Arbitrierungsphase (maximal 1 Mbit/s) zur schnellen Dataphase (10 Mbit/s und mehr) in zwei Schritten (zuerst von TxD dominant zu Level-0 und wenn das differenzielle Signal stabil ist zu Level-1). Die beiden Spannungshübe sind so geringer und führen so zu weniger Überschwingern. Das gleiche gilt für das Abbremsen am Ende des CAN-XL-Rahmentelegramms (zuerst von Level-1 zu aktiv rezessivem Netzwerksignal und dann zu dominantem Signal).
Der CiA spezifiziert auch einige Funktionen des CAN-XL-Layer-Managements sowie Zusatzfunktionen. Die SDU-Type-Codierung ist in CiA 611-1 definiert. Das Fragmentieren von CAN-XL-Datenframes wird in CiA 613-3 beschrieben. Mit dieser Funktion kann man die Netzwerk-Latenzzeit optimieren und lange Datenframes in kleineren Häppchen übertragen. Eine weitere Zusatzfunktion ist das optionale Security-Protokoll (CANsec), mit dem die CAN-XL-Datensicherungsschicht gegen unberechtigte Zugriffe geschützt werden kann. Es wird in CiA 613-1 spezifiziert und lässt sich in Hardware im Mikrocontroller implementieren. Führende Mikrocontroller-Hersteller beteiligen sich aktiv an dieser CiA-Spezifikation. Selbstverständlich wird der CiA auch Implementierungs- und Anwendungsempfehlungen zur Verfügung stellen (CiA 412).
In 30 Jahren hat sich CAN in Automation zu einem allgemeinen CAN-Verband gemausert, der alle Anwendungsgebiete abdeckt. Dies umfasst Straßenfahrzeuge, Off-Road-Fahrzeuge, Eisenbahnen, Schiffe, Flugzeuge sowie Drohnen. Mit der Entwicklung von CAN XL ist der eingetragene Verein nun auf neue Anforderungen vorbereitet. Ab 2026 werden die ersten Fahrzeuge mit CAN-XL-Netzwerken auf der Straße sein. Vielleicht nutzen andere Industrien CAN XL schon vorher. Das hängt auch davon ab, wie schnell die CiA-Mitglieder die anwendungsspezifischen Profile anpassen. Mit derzeit über 700 Mitgliedern und 14 festangestellten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ist der CAN-Verein bestens gerüstet, die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.
ist CiA Managing Director – und zwar bereits seit 30 Jahren: »Die Skalierbarkeit bezüglich der drei CAN-Protokollgenerationen (Classical CAN, CAN FD und CAN XL) und der wählbaren CAN-Transceiver-Technologien entspricht den Anforderungen vieler Branchen; die Robustheit und die Zuverlässigkeit sind weitere Vorteile von CAN-Netzwerklösungen und auch der Preis für eine CAN-XL-Schnittstelle ist sehr günstig«, stellt Zeltwanger die Vorteile von CAN heraus.
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